Im Interview mit Reto Bieri, Leiter Pistendienst
«Es ist toll, der Welt mit diesem Event zu zeigen, dass wir auch Freestyle können.»
Reto Bieri, Leiter Pistendienst bei Engadin St. Moritz Mountains, blickt mit Vorfreude auf die Freestyle-WM vom 17. bis 30. März 2025. Denn der Event markiert für Corviglia einen wichtigen Schritt in der Weiterentwicklung vom klassischen Alpin- hin zum Alpin- und Freestyle-Berg: Im kommenden März stehen erstmalig Disziplinen wie Aerials, Moguls, Ski- und Snowboard- cross sowie Alpin Snowboard auf Weltmeisterschafts-Niveau im Fokus – und das bedeutet jede Menge neue Herausforderungen für das Pistendienst-Team.
Reto, im März 2025 finden im Rahmen der Freestyle- WM die Weltmeisterschaften in Aerials, Moguls, Ski- und Snowboardcross sowie Alpin Snowboard bei uns auf Corviglia statt. Worauf freust du dich persönlich am meisten?
Es ist mal wieder etwas anderes – genau das macht den Reiz für mich aus. Statt eines alpinen Wettbewerbs handelt es sich um einen Freestyle-Event mit ganz anderen Disziplinen und Herausforderungen, die wir bewältigen müssen. Die Corviglia ist bisher vor allem für den alpinen Schneesport bekannt. Es ist toll, der Welt mit diesem Event zu zeigen, dass wir auch Freestyle können. Das Format ist spannend und wird sicher viele Zuschauer anziehen – vor allem ein neues, jüngeres Publikum.
Die vergangenen zwei Winter konnte das Pistendienst-Team im Rahmen der Testevents erste Erfahrungen mit den Freestyle-Disziplinen sammeln. Inwiefern hilft euch dieser Probelauf in der Vorbereitung für den Grossevent im März 2025?
Die Testevents waren für uns äusserst wertvoll, denn wir konnten uns dabei das spezifische Knowhow für die verschiedenen Freestyle-Disziplinen aneignen. Zudem hatten wir tolle Unterstützung von den erfahrenen Kompetenzzentren von Swiss Ski – auch von ihnen haben wir viel gelernt. Wir haben zudem alle Disziplinen mit einem 3D-Scanner vermessen und können diese im SNOWsat – der Software in unseren Pistenfahrzeugen – eins zu eins wieder abbilden. Dadurch sind wir in der Lage, die Disziplinen exakt so nachzubauen, wie sie bei den Testevents waren. Mit dieser Technologie können wir für die Pistenpräparation auch die Pistenhöhe ab- bilden, die Piste in verschiedenen Layern darstellen und berechnen, wie viel Schnee wir für den Bau der Disziplinen benötigen. Bei den Parallel-Disziplinen haben wir dank SNOWsat zudem stets die Kontrolle darüber, dass wir exakt parallel arbeiten. Das ist für einen fairen Wettkampf entscheidend.
Was braucht es seitens Pistenvorbereitung alles, damit diese Freestyle-Disziplinen auf Corviglia stattfinden können?
Im Januar und Februar beginnen wir mit den Vorbereitungs- arbeiten für alle Disziplinen: Wir produzieren den Schnee und gestalten zum Beispiel die Absprünge und Landungen. Für die Aerials bauen wir danach die Holzkonstruktion, welche mit Schnee gefüllt wird. Solche Vorarbeiten sind bei jeder Disziplin notwendig. Wenn dann alles optimal vorbereitet ist, gilt es, die Wetterprognosen genau im Auge zu behalten. Wenn es während der Events Schnee- fall gibt oder die Temperaturen steigen, kann es natürlich ein wenig hektisch werden. Zum Beispiel müssen wir bei starkem Schneefall möglicherweise die ganze Nacht über Schnee räumen, um sicherzustellen, dass alles pünktlich zum Rennstart bereit ist. Glücklicherweise haben wir ein grossartiges, engagiertes Team und eine hervorragende Zusammenarbeit – sei es mit dem Organisationskomitee, den Voluntari oder den Verantwortlichen der verschiedenen Disziplinen. Gemeinsam setzen wir alles daran, dass am Tag X alles reibungslos funktioniert.
Gehen wir etwas mehr ins Detail: Welches ist für die Pistenvorbereitung die herausforderndste Disziplin und warum?
Beginnen wir mit den Aerials: Diese Disziplin stellt uns vor die besondere Herausforderung, dass wir sehr viel Schnee benötigen. Sowohl der Anlauf als auch der Sprung müssen komplett aus Schnee modelliert werden. Glücklicherweise sind keine Geländeanpassungen notwendig. Die FIS gibt klare Vorgaben, wie beispielsweise die Winkel der Anfahrt und der Landung beschaffen sein müssen. Eine wichtige Rolle spielt auch die Holzkonstruktion, die als Unterbau für den Sprung dient. Auf dieser Holzkonstruktion wird der eigentliche Sprung aufgebaut, wobei auch hier der genaue Radius vorgegeben ist. Es gibt also viele technische Anforderungen, die beim Bau eingehalten werden müssen. Bei der Umsetzung erhalten wir grosse Unterstützung von Swiss Ski, genauer gesagt vom Kompetenzzentrum, das auf Aerials und Buckelpisten spezialisiert ist. Sie werden uns auch während des Events zur Seite stehen. Bei den Moguls, also der Buckelpiste, ist der Standort besonders prominent: Der Start befindet sich bei Stütze 9 des Salastrains-Sessellifts, sodass man die Strecke gut einsehen kann. Auch hier gibt es klare Vorgaben von der FIS. Zuerst wird die Piste planiert, um eine gleichmässige, parallele Ebene mit der passenden Länge und dem er- forderlichen Gefälle zu schaffen. Die Sprünge sind dabei bereits eingebaut. Am Ende kommt die Pistenmaschine zum Einsatz, welche die Buckel in gleichmässigen Abständen formt. Diese werden, falls nötig, durch das Fahren mit den Skiern weiter angepasst, um die Strecke zu perfektionieren. Da es sich um ein Parallel-Event handelt, ist es besonders wichtig, dass die Bedingungen auf beiden Kursen identisch sind. Im Bereich Snowboard- Parallel – sowohl im Slalom als auch im Riesenslalom – haben wir bereits Erfahrung. Denn bei der Alpinen Ski Weltmeisterschaft 2017 wurde ein Team-Parallel-Event ausgetragen, der vom Ablauf her ähnlich war.
Ihr bewerkstelligt die Pistenarbeiten für die Freestyle- Disziplinen zusätzlich zum normalen Tagesbetrieb auf der Corviglia. Wie wirkt sich das auf die Ressourcenplanung aus?
Wir haben unser Team für die Freestyle-WM etwas auf- gestockt. Denn nebst dem Grossevent soll auch der Rest des Skigebiets Corviglia weiterhin in gewohnt hoher Qualität zur Verfügung stehen. Für jede Freestyle-Disziplin haben wir drei bis vier zusätzliche, erfahrene Pisten- fahrzeugfahrer eingeplant. Die neuen oder saisonalen Maschinisten übernehmen in dieser Zeit die reguläre Pistenpräparation. Nach dem Super-G-Weltcup im Dezember und der intensiven Weihnachts- und Neujahrs- zeit starten wir im Januar mit Hochdruck in die Vor- bereitungen für die Freestyle-Events. Die Ressourcen sind gut vorausgeplant, aber es wird uns definitiv nicht langweilig. Denn auch bei der Schneeproduktion gehen wir für die Freestyle-Disziplinen eine Extrameile: Normaler- weise ist die Schneeproduktion für das Skigebiet Corviglia im Dezember abgeschlossen. Für die Freestyle-WM werden wir im Januar nochmals Schnee produzieren. Das bedeutet mehr Planungsaufwand und längere Einsatz- zeiten für die Mitarbeitenden. Die Personalplanung haben wir bereits nach dem Ende der letzten Wintersaison begonnen. Jetzt sind wir gut aufgestellt für die bevor- stehenden Herausforderungen.
Eine Besonderheit stellt die Ski- und Snowboardcross-Piste dar, bleibt sie doch über die Freestyle-WM hinaus bestehen?
Ja, sie ist ein besonderes Highlight. Für die Cross-Piste haben wir im letzten Jahr einiges investiert – es wurde beispielsweise extra eine Schneeleitung für die Beschneiung dieser Disziplinen installiert. Die Cross-Piste wird sowohl Weltcup-Athletinnen und Athleten zum Training dienen als auch unseren Gästen zur Verfügung stehen. Wir freuen uns, auch in Zukunft Ski- und Snowboardcross-Weltcup Anlässe auf diesem einzigartigen Run durchzuführen. Dank unserer naturgegebenen Höhenlage ist die Piste früh in der Saison bereit und gilt als relativ schneesicher.